Bundesregierung will geschlechtliche Selbstbestimmung stärken. LSVD begrüßt Eckpunktepapier zum Selbstbestimmungsgesetz
Berlin. 30.06.2022. Heute haben Bundesministerin Lisa Paus und Bundesminister Dr. Marco Buschmann erste Eckpunkte für ein Selbstbestimmungsgesetz vorgestellt. Künftig sollen trans*-, nicht-binäre und intergeschlechtliche Menschen ihren Personenstand beim Standesamt ändern können – ohne psychologische Gutachten, medizinische Atteste und teure Gerichtsverfahren. Dazu erklärt Henny Engels aus dem Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD):
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Bundesregierung will geschlechtliche Selbstbestimmung
stärken
LSVD begrüßt Eckpunktepapier zum Selbstbestimmungsgesetz
Berlin. 30.06.2022. Heute haben Bundesministerin Lisa Paus
und Bundesminister Dr. Marco Buschmann erste Eckpunkte für ein
Selbstbestimmungsgesetz vorgestellt. Künftig sollen trans*-, nicht-binäre und
intergeschlechtliche Menschen ihren Personenstand beim Standesamt ändern können
– ohne psychologische Gutachten, medizinische Atteste und teure
Gerichtsverfahren. Dazu erklärt Henny Engels aus dem Bundesvorstand des Lesben-
und Schwulenverbandes (LSVD):
Der LSVD begrüßt das heute vorgestellte Eckpunktepapier zum
Selbstbestimmungsgesetz. Damit ist der erste Schritt getan, um die
geschlechtliche Selbstbestimmung von trans*- und intergeschlechtlichen sowie
nicht-binären Menschen zu gewährleisten und das grundrechtswidrige
Transsexuellengesetz (TSG) endlich zu beerdigen. Faktenfreien Angstkampagnen,
die trans*-, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen als Feindbilder und
Gefahr für die Gesellschaft phantasieren, muss mit einer sachlichen und
unaufgeregten Berichterstattung begegnet werden.
Immer wieder hatte das Bundesverfassungsgericht deutlich
gemacht, dass die im TSG gestellten Anforderungen für eine Änderung des
Personenstandes gegen die Grundrechte verstoßen. Noch immer müssen trans*-
Menschen ein demütigendes und langwieriges gerichtliches Verfahren mit zwei
Begutachtungen über sich ergehen lassen. Dieses Verfahren ist nicht nur teuer,
sondern auch unwürdig für die Betroffenen. So mussten oft etwa auch Fragen zum
Masturbationsverhalten oder zur Unterwäsche beantwortet werden. Trans*- und
intergeschlechtlichen sowie nicht-binären Menschen wird die Selbstbestimmung
immer noch massiv erschwert.
Die rechtliche Änderung des Vornamens und des
Geschlechtseintrags im Personenstand bei Volljährigen soll mit dem zukünftigen
Selbstbestimmungsgesetz beim Standesamt möglich sein – ohne Gutachten, Atteste
oder Gerichtsbeschlüsse. Die Selbstauskunft der Person soll künftig ausreichen.
Die Rechte von trans*- und intergeschlechtlichen Menschen sollen durch ein
sanktionsbewehrtes Offenbarungsverbot gestärkt werden.
Das angekündigte Gesetz sieht für Jugendliche ab 14 Jahren
vor, dass sie für die Abgabe der Erklärung über den Geschlechtseintrag auf die
Zustimmung der Eltern angewiesen sind. Wollen die Eltern diese Zustimmung nicht
erteilen, kann diese durch das Familiengericht ersetzt werden. Diese Lösung
entspricht nicht der zunehmenden Entscheidungs- und Verantwortungsfähigkeit,
die Jugendlichen in anderen Rechtsbereichen, wie beispielsweise der Wahl der
Religion oder der Wahl über einen Beruf zugetraut wird. Der Antrag beim
Familiengericht stellt vor dem Hintergrund des familiären Zusammenlebens eine
extrem hohe Hürde dar.
Den Ausbau von Beratungsangeboten begrüßt der LSVD – es ist
zudem begrüßenswert, dass keine Beratungspflicht und damit
Verfahrenserschwernis durch die Hintertür angedacht ist.
Auch möchte die Bundesregierung trans*- und
intergeschlechtliche Menschen für erlittenes Leid durch Körperverletzungen, wie
Zwangssterilisationen oder Zwangsscheidungen entschädigen. Dieser Schritt ist
seit Jahrzehnten überfällig. Der Gesetzgeber sollte die Hürden für diese
Entschädigungen niedrig halten.
Leider enthält das Eckpunktepapier keine abschließende
Regelung zu trans* Elternschaft. Nach derzeitiger Rechtslage werden
transgeschlechtliche Eltern im Geburtenregister mit ihrem bei Geburt
zugewiesenen Geschlecht eingetragen. Beispielsweise wird ein trans* Mann, der
ein Kind geboren hat, in der Geburtsurkunde derzeit als Mutter eingetragen.
Damit geht ein Zwangsouting einher; zudem entstehen massive Probleme im Alltag.
Der Gesetzgeber kündigt hier immerhin eine Interimslösung an, verweist im
Übrigen aber auf die anstehende Novelle des Abstammungsrechts. Diese Reform
muss nun endlich kommen!
Hintergrund
In einer demokratischen Gesellschaft muss Grundlage
staatlichen Handelns der Schutz der persönlichen Freiheit sein und nicht
ideologisch aufgeladene Ordnungsvorstellungen über Geschlechtszugehörigkeit.
Der LSVD sieht im Kampf um Selbstbestimmung für
nicht-binäre, trans*- und intergeschlechtliche Menschen die konsequente
Fortsetzung feministischer, emanzipatorischer und der Freiheit verpflichteter
bürgerrechtlicher Politik. Deshalb setzen wir uns mit Nachdruck für ein echtes
Selbstbestimmungsgesetz ein. Das ist seit Jahrzehnten überfällig. Die
Verwirklichung der Menschenrechte für nicht-binäre, trans*- und
intergeschlechtliche Menschen duldet keinen Aufschub mehr.
12 Antworten auf Fragen zum Thema Selbstbestimmungsgesetz
und Trans*geschlechtlichkeit – Die Broschüre informiert in kurzen Abschnitten
und liefert konkrete Argumente gegen die kursierenden Falschinformationen und
Vorurteile. Sie kann kostenfrei unter presse@lsvd.de bestellt werden bzw. steht
als pdf zum Download bereit.
„Gegen trans*feindliche Berichterstattung, für einen
respektvollen und sachlichen Umgang!“ – Für eine respektvolle und
menschenwürdige Berichterstattung, die Diskriminierung entgegenwirkt
Das Selbstbestimmungsgesetz: Antworten zur Abschaffung des
Transsexuellengesetz (TSG) – Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum
geplanten Selbstbestimmungsgesetz
Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) ist ein
Bürgerrechtsverband und vertritt Interessen und Belange von Lesben, Schwulen,
Bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen (LSBTI). Menschenrechte,
Vielfalt und Respekt - wir wollen, dass LSBTI als selbstverständlicher Teil
gesellschaftlicher Normalität akzeptiert und anerkannt werden.
Web: www.lsvd.de
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